Rezension I Du wolltest es doch von Louise O'Neill

Titel: Du wolltest es doch
Autor: Louise O'Neill 
Verlag: Carlsen 
Preis: 12,99€
Seiten: 368 

Kann Spoiler enthalten. 


"Emma ist hübsch und beliebt, die Jungs reißen sich um sie. Und sie genießt es, versucht, immer im Mittelpunkt zu stehen: Das Mädchen, das jeden herumkriegt. Bis sie nach einer Party zerschlagen und mit zerrissenem Kleid vor ihrem Haus aufwacht. Klar, sie ist mit Paul ins Schlafzimmer gegangen. Hat Pillen eingeworfen. Die anderen Jungs kamen hinterher. Aber dann? Sie erinnert sich nicht, aber die gesamte Schule weiß es. Sie haben die Fotos gesehen. Ist Emma wirklich selber schuld? Was hat sie erwartet – Emma, die Schlampe in dem ultrakurzen Kleid?"

Spoiler! 
Emma wird während einer Party von vier Jungs vergewaltigt, dabei werden unzählige Fotos gemacht, unter anderem eins, auf dem einer der Jungen sich auf Emma erbricht oder eins, auf dem ein Junge auf sie uriniert. Emma ist auf allen Fotos bewusstlos. Diese Fotos landen alle auf Facebook, die gesamte Schule, ihre Familie und ihr kompletter Heimatort sehen die Fotos. Emma wird gemobbt und von fast allen verurteilt, sie wäre betrunken gewesen, sie hätte sich freizügig gekleidet und hätte aufgrund ihres gesamten Auftretens mit so etwas rechnen müssen. Selbst ihre Eltern geben ihr das Gefühl, selbst Schuld zu sein. Es wird behauptet, Emma hätte das alles gewollt und weil sie sich im Nachhinein dafür schämt, würde sie von Vergewaltigung sprechen. Sie verfällt in schwere Depressionen, geht nicht mehr zur Schule und versucht zwei mal, sich das Leben zu nehmen, scheitert aber.


"Du wolltest doch" von Louise O'Neill ist am 25. Juli 2018 erschienen und hat viel mediale Aufmerksamkeit erhalten, wodurch auch ich auf das Buch aufmerksam geworden bin. Ich habe lange überlegt, ob ich es mir überhaupt zulegen soll, da ich ziemlich zartbesaitet bin und die Geschichte sehr aufwühlend sein soll. Letztendlich habe ich es doch gekauft. 

Es fällt mir ehrlich gesagt extrem schwer, eine Rezension zu "Du wolltest es doch" zu verfassen, also fange ich am besten mit den einfacheren Dingen an. Der Schreibstil der Autorin hat mir persönlich, wenn ich ehrlich sein soll, überhaupt nicht zugesagt. Sie schreibt sehr abgehakt und was mich am aller, aller, aller meisten gestört hat waren die wirklich unzähligen Klammern! Ich glaube, ich habe noch nie ein Buch gelesen, in dem so wahnsinnig viele Klammern vorkamen. Dazu kommt, dass die Klammern in meinen Augen vollkommen wahllos eingesetzt wurden. Ich konnte kein klares Muster erkennen - sind das jetzt Emmas Gedanken? Dinge, die jemand anderes gesagt hat, die sie nur wiederholt?  Diese zwei Punkte können nicht der Grund für die Klammern gewesen sein, denn Emmas Gedanken kamen z.B. auch ohne Klammern daher. Ich finde, der Schreibstil der Autorin hat es wirklich mühselig gemacht das Buch zu lesen, ich war teilweise richtig verwirrt. Mich haben der Schreibstil und vor allem diese KLAMMERN gegen Ende wirklich aufgeregt und ich fande das Buch unheimlich nervig geschrieben. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. 

Jetzt zu der eigentlichen Story. Ich finde, Louise O'Neill greift mit diesem Buch ein sehr, sehr wichtiges Thema auf und es ist richtig und wichtig, darüber nachzudenken und vor allem darüber zu reden. Und dass über ihr Buch geredet wird, hat die Autorin definitiv geschafft, wie gesagt, ich bin durch die unzähligen Instagram und Facebook Beiträge darauf aufmerksam geworden. Die Story ist sehr real, denn das alles könnte sich in der heutigen Zeit in Anbetracht der sozialen Netzwerke genau so zutragen - oder hat es sich das vielleicht schon? - und die Autorin beschönigt auch nichts, weswegen ich persönlich finde, eine Trigger-Warnung am Anfang des Buches wäre mehr als angebracht. Ich habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass es so heftig wird und die Geschichte mich so mitnimmt. Teilweise musste ich aufhören zu lesen, da mir Emmas Schicksal so nah ging, und abends "Du wolltest es doch" lesen ging schon mal gar nicht. Ich bin 24 und mich hat das Buch schockiert und ein Stück weit verstört zurück gelassen, weswegen es mich noch mehr schockiert, dass dieses Buch in meiner ortsansässigen Buchhandlung im Bereich "Kinder- und Jugendliteratur" steht. Versteht mich bitte nicht falsch, ich finde es wirklich wichtig und richtig, über die Themen Vergewaltigung, Missbrauch, die Folgen davon und den Zusammenhang mit sozialen Netzwerken aufzuklären und medial darauf aufmerksam zu machen. Auch schon im Jugendalter, denn diese Altersgruppe ist am häufigsten davon betroffen. Aber bitte mit Triggerwarnung! 

Was mich auch extrem gestört hat, ist das Ende des Buches. Emma gibt auf. Auf den letzten Seiten sagt sie ihren Eltern, dass sie ihre Anzeige zurückziehen wird, da sie keinen Gerichtsprozess möchte, denn sie glaubt, dass die vier Jungs sowieso nicht verurteilt werden. Ihre Eltern stimmen zu, mehr noch, es wird der Eindruck erweckt, dass sie damit sogar sehr zufrieden sind, und noch am selben Abend ruft Emma im Beisein ihrer Eltern den zuständigen Polizisten an, um die Anzeige zurückzuziehen. Und dann - boom, das Buch ist zu Ende. Was hinterlässt das für einen Eindruck bei den, grade jüngeren, Lesern? Dass, sollten sie vergewaltigt oder missbraucht werden, sie gar nicht erst Anzeige erstatten brauchen, da die Chancen sowieso viel zu gering sind dass der oder die Täter verurteilt werden? Dass es keinen Sinn macht, für ihr Recht zu kämpfen? Emma wird in der ganzen Geschichte von fast allen Protagonisten als Täter behandelt - sie wollte es doch, sie hat das Leben der Jungs und deren Familien zerstört, sie hat das Leben ihrer Familienmitglieder zerstört. Und damit schließt das Buch ab. Sie gibt auf und gibt sich ihrem Schicksal hin. Es kann nicht sein, dass Täter zu Opfern gemacht werden und Opfer zu Tätern. Auch nicht, wenn Emma vorher kein Unschuldslamm gewesen ist, betrunken war und sich freizügig gekleidet hat. 

Noch schlimmer finde ich, dass ihre Eltern zustimmen, die Anzeige zurückziehen, damit auch noch zufrieden sind, weil sie die Hoffnung hegen, dass sich in der Kleinstadt, in ihrer Familie und ihrem Leben nun alles wieder "normalisiert". Ich bin mit dem Ende alles andere als einverstanden. Versteht mich nicht falsch, ich habe kein Ende a la "Emma gewinnt den Prozess, die Täter landen für Ewigkeiten hinter Gittern, Emma erholt sich, alles wird gut, sie findet ihren Traummann, heiratet, kriegt drei Kinder und lebt glücklich bis ans Ende aller Tage" erwartet und auch nicht erhofft, denn das entspricht schlichtweg nicht der Realität. Aber ich habe gehofft, dass Emma kämpft. Dass sie den Strapazen eines Prozesses standhält, dass ihre Familie zu ihr hält, ihr Glauben schenkt und sie so gut es geht unterstützt. Kein perfektes Happy End, ich weiß, dass das nach so einer Geschichte nicht möglich ist, aber ein bisschen Gerechtigkeit. Das Ende von "Du wolltest es doch" vermittelt, dass es einfacher ist, aufzugeben, als für sein Recht einzustehen. Und damit kann ich mich leider nicht zufrieden geben. Ich weiß, dass ein Prozess und alles, was davor passiert, wahrscheinlich den Umfang des Buches gesprengt hätte, und ich kann auch nicht sagen, wie man es hätte besser machen können. Aber so auf jeden fall nicht! 



Ein sehr wichtiges Thema, auf das unbedingt mehr aufmerksam gemacht werden muss, worüber mehr und offener gesprochen, aufgeklärt werden muss. Leider meiner Meinung nach in diesem Buch schlecht umgesetzt, vor allem das Ende des Buches. Zusätzlich fehlt mir persönlich eine Trigger-Warnung. 
⭐️⭐️

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